Der Morgen begann mit einigen neuen Erkenntnissen. Meine Mutter hatte geträumt, dass ich auf einem Schiff studieren würde, Daniel hatte Wildschweine gehört und Daniels Zelt stand, obwohl er
abends noch genauestens errechnet hatte, wo die Sonne aufgehen würde, mitten in der Sonne. Naja, aber man lernt ja aus seinen Fehlern.
In der morgendlichen Frührunde wurde dann über die Route nach Cavaillon diskutiert. Mit Hilfe unseres Beraters Andreas entschieden wir uns für Plan 1, durch die Orte Roussilon und Gordes.
Roussilon war vor einigen Jahren zum schönsten Ort Frankreichs ernannt worden.
Gut gelaunt ging es auf unserem eigenen Radweg los. Ein Privileg, das wir in den letzten Tagen nicht so oft hatten. Entlang von allerlei Lavendelfeldern führte uns der Weg gen Westen. Verfolgt
wurden wir häufig auch von Schmetterlingen.
Nach 10 Kilometern ereignete sich dann ein schwerwiegender Vorfall. Der Fahrradweg war mit Barrieren geschützt, damit Autos oder ähnliches nicht durchkommen. Einer dieser Barrieren wurde uns dann
zum Verhängnis, oder vielmehr Daniel. Was war passiert?
Da Daniel stets die Navigation übernimmt, schaut er zwischendurch immer wieder aufs Handy. Leider war es heute eine Sekunde zu viel. Ich fuhr gerade ein bis zwei Meter vor Daniel, bremste kurz
vor der Barriere ab und fuhr hindurch. Kurz nach mir hörte ich es nur scheppern, ich drehte mich um und sah gerade noch, wie Daniel in den letzten Zügen seines Saltos über die Barriere steckte.
Das Fahrrad hatte es leider nicht drüber geschafft.
Meine ersten Worte zu Daniel waren nur: "Ist das dein Ernst?". Ich konnte es überhaupt nicht fassen und verstehen, wie und warum das passiert war. Die Barriere war seit bestimmt 200 Metern
sichtbar gewesen. Ihm selber ging es gut, er stand direkt wieder auf und fing an zu lachen. So schlimm schien es also nicht gewesen zu sein. Ich fing auch an zu lachen, hob sein Handy auf und
Daniel versuchte, den Vorfall nachzustellen.
Daniel war also mit ca. 20 kmh ungebremst in die Barriere gefahren. Das Fahrrad blieb direkt stehen, Daniel schoss es aus dem Lenker über die Barriere und auf den Boden. Ein Wunder, dass ihm
nichts passiert war.
Als wir weiterfuhren wollten, stellte Daniel fest, dass irgendwas nicht stimmte. Kein Wunder, wenn ein Fahrrad unelastisch in etwas kracht. Das Fahrrad war irgendwie kürzer, die Sitzposition
anders, der Lenker und der Reifen wackelig. Eine Inspektion später war das Unheil besiegelt. Das Fahrrad hatte es nicht so unbeschadet überstanden wie Daniel. Durch den Frontalaufprall
wurde die entstehende Energie über den Vorderreifen und die Gabel an den Rahmen weitergeleitet, der mit soviel Energie überfordert war. Er riss an drei verschiedenen Stellen, Diagnose
Rahmenbruch. Durch den Riss war das Vorderrad weiter in Kettennähe gerutscht. So nahe, dass man beim Lenken mit den Füßen das Vorderrad berührt.
Um das also kurz zusammenzufassen: Daniels Fahrrad wurde arg beschädigt und damit weiterzufahren wurde eine echte Schwierigkeit. Der nächste Fahrradladen befand sich laut unseren Handys in
Cavaillon. Außerdem hatten wir gerade mal 10 Kilometer geschafft und somit noch ein bisschen Strecke vor uns.
Nach einer kurzen Testfahrt entschied Daniel, dass er es mit dem Fahrrad mindestens noch bis ins nächste Dorf schaffen würde, um da nach einer Autowerkstatt oder ähnlichem Ausschau zu
halten.
Plan 1 von heute morgen wurde dann auch über den Haufen geworfen, Plan 2, den Direktweg zu nehmen, trat in Kraft.
In Apt, dem nächsten Ort, fanden wir sogar eine Autowerkstatt, die uns allerdings nur lächelnd weiterschickte. Aber da es für Daniel einigermaßen möglich war, mit dem Fahrrad zu fahren, wurde
Cavaillon angepeilt.
Der Rest des Weges verlief dann etwas weniger spektakulär. Wir kamen sogar an Fahrradläden vorbei, die uns aber alle nicht weiterhelfen konnten. Wir schafften es bis nach Cavaillon, insgesamt 56
Kilometer, und bauten unsere Zelte auf einem Campingplatz auf. Während des Aufbaus folgte der erste Regenschauer seit langem, aber nach Ca. 15 Minuten war dieser dann auch wieder vorbei.
Auf dem Campingplatz werden wir nicht nur morgen wegen des Ruhetags, sondern auch wegen des Ausflugs nach Marseille übermorgen, bleiben. Das passt ganz gut, denn Daniel hat genug mit seinem
Fahrrad zu tun. Außerdem sind seit dem letzten Ruhetag schon wieder 10 Tage vergangen.
Im Laufe des Abends fand Daniel dann heraus, dass sein Rahmen wohl komplett hinüber ist. Wie es in der Hinsicht weitergeht, wird sich dann wohl spätestens morgen herausstellen. Hoffen wir das
beste.
Außerdem hatten wir im Supermarkt die falsche Gaskartusche gekauft. Unser Fleisch wollten wir trotzdem essen, weshalb ich mich auf die Pirsch begab, einen netten Camper zu finden, der uns bei der
Zubereitung unseres Essen helfen wollte. Gefühlt kenne ich jetzt den ganzen Campingplatz, leider konnte keiner englisch oder deutsch. Mich begleitete ein kleines Mädchen, dass meine Sorge
verstand und steht's Camper vorschlug, die ich als nächstes ansprechen sollte. Irgendwann fand sich auch ein französisches Ehepaar, das uns nicht nur unser Fleisch zubereitete, sondern auch eine
Runde Bier ausgab. So wurde unser Hunger auch noch gestillt.
Morgen hat ausnahmsweise mal wieder Daniel die Ehre, von unserem Ruhetag zu berichten.
Au Revoir,
Timo
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Andreas G. (T-K) (Dienstag, 05 Juli 2016 22:32)
Nachdem ich auch gerade mit Daniel telefoniert hatte, kann ich zumindest erleichtert feststellen, dass nur das Fahrrad Schaden genommen hat - aber mit Handy im Verkehr sollte man nicht spassen... (vielleicht eine Lektion für's Leben). Immerhin eine zirkusreife Aktion - und behaltet bloß immer eure Helme auf. Morgen dann viel Erfolg bei der Rahmensuche und dem - hoffentlich - möglichen Umbau, damit ihr bald eure Tour in alter Manier fortsetzen könnt. Übrigens tolle Bilder vom 3.7. ergänzt... der Wasserfall ist traumhaft! So long, à bientôt, Andreas
Petra W. (Mittwoch, 06 Juli 2016)
Uiuiui, ich muss ja zugeben, dass ich bei der Beschreibung echt lachen musste (aber erst, nachdem klar war, dass Daniel nichts passiert war), Timo hat das Geschehen einfach klasse erzählt (sorry Daniel;-) ). Wünsche auch viel Erfolg, auf der Suche nach einem neuen Rahmen und vor allem, dass Ihr es dann noch schafft, das Fußballspiel zu sehen...toi toi toi