Liebe Leute, nach sieben Ruhetagen, an denen Daniel stets die Ehre hatte zu berichten, habe ich heute das erste Mal das Vergnügen, unsere Faulenzereien zu dokumentieren.
Anfangen möchte ich aber etwas früher, bei unserer Ankunft bei Eddie und Patrice. Ich hatte Eddie vor einigen Tagen bei Couchsurfing angeschrieben. Anhand seiner Bilder konnten wir zwar nicht
entschlüsseln, ob er ein Junge oder Mädchen ist, aber das spielt ja auch keine Rolle. Außerdem erwähnte er bereits in seinem Profil, dass er zusammen mit Patrice wohnt. Dessen Profil konnte ich
bei Couchsurfing nicht finden, weshalb wir ohne große Ahnung, was uns erwarten sollte, bei den beiden ankamen.
Als dann schließlich die Tür aufging, erwarteten uns zwei ziemlich unterschiedliche Personen. Patrice, der zunächst das Reden übernahm (er kann auch ein wenig Deutsch, womit er uns zu Beginn
überraschte), ist ein kleiner, schmächtiger 67-jähriger Franzose. Im Gegensatz dazu ist Eddie ein 27-jähriger Malaysier mit langem, lockigem Haar. Sein eigentlicher Name ist natürlich nicht
Eddie, der Einfachheit halber lässt er sich in Frankreich aber so nennen.
Die ersten Dinge, die wir von den beiden erfuhren, sind, dass Patrice bereits vielen Jobs nachgegangen ist (zum Beispiel Bademeister, Lehrer, Übersetzer). Und Eddie war gestern Abend zu einer
Massage verabredet, mit der er sich wohl zusätzliches Geld verdient. Eddies Raum ist voll mit Bildern, die er selber malt und auch versucht, damit zusätzliches Geld zu verdienen. Als er mir
erklärte, dass er in den umliegenden Bars anfragte, ob diese seine Bilder aufhängen möchten, und er nur Absagen bekam, musste ich ein wenig schmunzeln. Mein ungelerntes Auge in Sachen Kunst war
nicht besonders erfreut, zwar könnte ich niemals so etwas malen, aufhängen würde ich es aber auch nicht. Soviel als Nachtrag zu gestern, damit man mal einen ersten Eindruck von unseren Gastgebern
bekommt.
Heute morgen hieß es für uns erstmal die Stadt erkunden. Nachdem gestern die ganze Stadt voll war, erkannten wir die Bar von gestern kaum wieder. Ganz schön eigentlich. In der Stadt besorgte ich
mir eine neue Powerbank, leider doppelt so teuer, wie im Internet und etwas weniger Leistung, aber eine andere Lösung bleibt nicht über. Ein neues Buch auf Englisch fand ich leider nicht.
Mittags suchten wir dann den Fahrradladen auf, zu dem Daniel seinen neuen Rahmen schicken lassen hat. Der Rahmen war leider noch nicht da, aber dafür stellte sich der Besitzer als sehr nett
heraus. Hoffentlich kommt der Rahmen morgen an. Spätestens übermorgen wäre es aber sehr hilfreich, denn am Donnerstag hat der Laden zu (es ist "Fete nationale" (Sturm der Bastille) und
die Tour de France wird in Montpellier zu Gast sein. Eigentlich wäre es schön, sich das anzugucken, aber wir wollen natürlich auch weiterkommen).
Daniel ließ sein Fahrrad beim Händler stehen und fuhr mit der Bahn zurück nach Hause, ich mit meinem (bzw. Mamas) Radl. Wir hatten uns mit Eddie verabredet, an einem See schwimmen zu gehen.
Mit der Bahn ging es nachmittags also an einen kleinen See. Zugegebenermaßen hatten Daniel und ich häufig Probleme, Eddies Art nachzuvollziehen. Häufig sagte er uns, wir wären schüchtern, obwohl
er uns selber selten Fragen stellte. Und, was uns etwas nervte, er fragte häufig, ob wir okay wären (was ja eigentlich nett ist, wenn wir aber einmal sagen, dass alles gut ist, dann brauchen wir
nicht weitere fünfmal gefragt werden). Von der Bahnstation zum See lief er dann 20 Meter vor uns, was wir nicht nachvollziehen konnten. Am See fragten ausnahmsweise wir ihn dann mal, ob alles
okay sei, was er bejahte.
Naja, zurück zum Wesentlichen, der See war klein aber fein, ca. 200 Meter von einer Seite zur anderen. Eine gute Länge zum einmal hin und zurück schwimmen. Wir relaxten etwas, hörten Musik und
aßen die mitgebrachten Sachen.
Abends begann Eddie dann seine Sachen zu packen. Auf Nachfrage, ob wir gehen wollten, sagte er, nein wir können ruhig bleiben. Also blieben wir liegen, während Eddie mit gepackter Tasche neben
uns stand. Kurz darauf wurde es uns zu doof und auch wir packten unsere Sachen, damit wir gehen konnten. Ich denke, dass Asiaten in der Hinsicht einfach anders sind als wir. Während wir
(Deutschen) einfach sagen, was wir denken, sind Asiaten viel höflicher und wollen einen nicht verletzen. Daher sagte Eddie vermutlich, dass wir gerne noch am See bleiben können, obwohl er
eigentlich gehen wollte. Das ist auf der einen Seite nett gemeint, auf der anderen Seite, sehr anstrengend zu verstehen. Man muss wirklich häufig nachfragen, um die ehrliche Antwort
herauszukitzeln. Häufig bekommen wir so zum Beispiel auch auf die Frage, was er machen möchte, ein "I dont know" (ich weiß es nicht) zurück. Ich möchte ihn damit auch nicht kritisieren. Ich finde
es nur sehr schwer, mit dieser Art umzugehen.
Auf dem Rückweg vom See zur Bahn lief Eddie dann wieder vor. Warum wissen wir nicht. Als Daniel und ich deutsch miteinander sprachen, erkannte Eddie Parallelen zu zwei deutschen Mädchen, die er
vor einigen Tagen aufgenommen hatte und, die wohl viel untereinander und wenig mit ihm gesprochen hatten. Ich sprach ihn darauf an, wie wir noch mehr mit ihm reden sollten, wenn er einerseits vor
uns läuft und uns andererseits nichts fragt (ich hatte das Gefühl, ich würde ihn mit Fragen bombardieren, die er dann beantwortetet). Seine Antwort: "I dont know."
Na gut. Um das Zusammenzufassen, Eddie und auch Patrice sind beide eigentlich sehr nett, wobei es für uns schwer ist, mit deren Art klarzukommen. Trotzdem hatten wir abends auf dem Balkon noch
ein gemütliches Abendessen. Hier wurden wir mal wieder unzählig Male gefragt, ob wir dies und das probieren wollen (zum Hintergrund: Daniel hatte bereits vor uns aufgegessen und auch relativ
deutlich gemacht, dass er keinen Hunger mehr hat. Trotzdem wurde er zu jeder Kleinigkeit gefragt, ob er das nicht probieren möchte. Nett gemeint, aber manchmal vielleicht auch einfach zu nett).
Ob ich nicht noch Hunger hätte, dass darf mich eigentlich nur meine Oma fragen.
Nun bleibt zu hoffen, dass Daniels neuer Rahmen bald ankommt. Die Vorfreude auf Spanien wird immer größer und aufs Fahrradfahren haben wir mehr Lust als auf Stillstand. Heute morgen kam der
Rahmen auf jeden Fall per Flugzeug in Lyon an. Mehr wissen wir auch nicht. Wir werden auf jeden Fall nach dieser Nacht hier ausziehen und uns im Notfall eine andere Bleibe suchen.
Also, bis übermorgen,
Timo
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Andreas G. (T-K) (Dienstag, 12 Juli 2016 23:38)
Timo, toller Ruhetagbericht, man spürt, dass es dir Vergnügen bereitet, von den neuen Eindrücken asiatischer Kommunikation und Kunst (???) zu berichten. War jedenfalls sehr vergnüglich zu lesen! Der See ist ja niedlich - kommt natürlich nicht an das Meer heran, in dem ihr hoffentlich bald wieder nach mehreren Radfahrkilometern baden könnt. Hoffe, dass die Rahmen-Montage klappt (mit der Lieferung hat es ja zeitlich ganz gut hingehauen) - und das ihr dann vor den Radprofis der Tour de France aus Montpellier entschwinden könnt (nicht, dass ihr noch den Fahrern das gelbe Trikot streitig macht...). Viel Erfolg dazu bei eurer Weiterfahrt!